Eine Gruppe von Aktiven möchte die Menschen in Altona von einer eigenen Biogasanlage im Stadtteil begeistern. Um das Projekt zu starten, trafen sich alle Neugierigen im März 2025 zum ersten Mal, bauten eine experimentelle Biogasanlage zusammen und stellten sie am Bunker in der Schomburgstraße auf.

Inhalt
Der Beitrag gibt einen Überblick über die vier Biogas-Veranstaltungen in diesem Frühjahr.
- 29. März 2025: eine Biogasanlage im Eigenbau
- 25. April 2025: SpiegeleiGASkochen ohne Gas
- 23. Mai 2025: Kein Gas, aber trotzdem Feuer und Flamme
- 28. Juni 2025: BioGAStmahl auf der altonale visionair
Einleitung
Vor einem Jahr, am 7. Juni 2024, fuhren 30 Menschen mit viel Spaß mit Fahrrädern von Wilhelmsburg nach Altona, um mal wieder Biogas für ein gemeinsames Kochen zu liefern. Diesmal lautete das Motto: Wir geben Gas! Biogas für Altona. Mit unserem Fahrradkorso, Fachvorträgen auf der Christianswiese zu den Themen Biogas und Transformation, einer Kreativwerkstatt und einem anschließenden BioGAStmahl wollten wir die Menschen des Stadtteils für die Energiewende begeistern. Und wir wollten sie einladen, gemeinsam eine eigene Biogasanlage für Altona zu entwerfen und umzusetzen.
Ein Team rund um Andrea, Tania (altonale visionair) und Karin (KEBAP e. V.) begann schon Ende 2024 mit den Recherchen für den technologischen Ansatz und die notwendigen Bauteile. Von Seiten der WATTwanderungen und aus den Zinnwerken in Wilhelmsburg kamen Unterstützung und wertvolle Tipps.
In vier Workshops, jeweils am Ende der Monate März bis Juni, wollten wir gemeinsam ausprobieren, wie es ist, wenn der Stadtteil sein eigenes Biogas produziert und damit kocht. Wir haben viel gelernt, viele Erfolge gefeiert, eine gute Zeit zusammen verbracht und sind am Ende mit Spaß gescheitert.
29. März 2025: eine Biogasanlage im Eigenbau
Eine Wolkenlücke tut sich auf an diesem ersten Workshopnachmittag und macht die Arbeit unter freiem Himmel zum Vergnügen. Nach einem kurzen Einführungsvortrag über die biologischen Zusammenhänge der Biogasproduktion von Andrea, Tania und Karin widmete sich ein Teil der Gruppe dem Schnippeln von Lebensmitteln. Verrührt mit Kuhdung sollte die Mischung später die Biomasse ergeben, aus der in den kommenden Wochen unser Biogas entsteht.
Schaufeln, schrauben, bohren
Ein anderer Teil der Gruppe schraubte unter Anleitung von Andrea und Gunther die ersten Teile für die beiden blauen Fässer zusammen, die das Herzstück unserer Biogasanlage sein würden.
Die dritte Gruppe bereitete mit Gehwegplatten und Paletten Fundament und Sockel für die Fässer vor. Anschließend wurde die Wand dahinter noch grün gestrichen, weil wir erzählen wollen, dass eine Biogasanlage ähnlich funktioniert wie der Magen einer Kuh. Und unsere Kuh sollte es gut haben vor der grünen Wiese.
Bei schönem Wetter ging der Bau der Anlage zügig voran. Es wurden noch Ventile und Schläuche montiert, sodass schon bald die Fässer mit Schnippelresten und Kuhdung befüllt werden konnten. Michael, der spontan dazugekommen war, berichtete aus seiner Erfahrung mit zwei professionellen Biogasanlagen, deren Entwicklung und Aufbau er vor einigen Jahren begleitet hatte. Von Sebastian lernten wir in einem Vortrag die positiven Eigenschaften von Pflanzenkohle kennen und fügten von dem schwarzen Granulat noch einige Gramm hinzu.
Unerwartet wurde während des Workshops ein Paket mit den bestellten Biogassäcken geliefert, die wir schon für den Transport des Biogases bei den vergangenen Fahrradkorsos verwendet hatten. Später würden wir diese hinter den Fässern aufhängen und das produzierte Biogas darin auffangen, wie wir es auch von der Anlage in Wilhelmsburg kannten.
Die Sonne macht den Strom
Schließlich legten wir noch ein Kabel, um die Heizmatten an den Fässern mit Solarstrom zu versorgen. Denn die Bakterien mögen es warm und es war ja erst März und sollte noch eine Weile kalt bleiben. Zu kalt, wie wir lernen würden.
Zum Abschluss des Workshops aßen wir gemeinsam Lebensmittel, die Laura zusammen mit anderen Aktiven von foodsharing in Altona und anderen Stadtteilen gerettet hatte.
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25. April 2025: SpiegeleiGASkochen ohne Gas
Vier Wochen später traf sich ein harter und neugieriger Kern wieder, um zu sehen, was die Anlage bisher produziert hatte. Der Plan war, an diesem Tag mit dem Gas ein Spiegelei zu braten. Da der Sack sich in den vergangenen Wochen nicht aufgebläht hatte, waren wir nicht überrascht, dass daraus nichts wurde. Aber zuversichtlich widmeten wir uns anderen Aufgaben, die für unsere Abschlussaktion wichtig sein würden.
Schilder für den Almauftrieb
Eine Gruppe malte Schilder für den “Almauftrieb” im Rahmen der altonale Anfang Juni. Um unsere Geschichte von der Kuh, die unsere Biogasanlage eigentlich war, weiterzuerzählen, würden wir mit Glockengeläut und Lederhosen die Kuh auf die Wiese treiben, durch den Stadtteil und mit angemessener Aufmerksamkeit für die erneuerbare Energie, die wir produziert hatten.
Wir strichen noch den Überstand, den Gunther in der Zwischenzeit über die Fässer gebaut hatte, ebenfalls grün und malten einen Kuhhintern auf den Gassack. Dieser ist eine Spezialanfertigung des Unternehmens b-energy und lässt sich als Rucksack tragen.
Bakterien mögen es gern warm
Während all dieser Arbeiten überlegten wir gemeinsam, worin die Gründe für die zögerliche Gasproduktion liegen könnten. Hinderlich waren auch die Ausfälle der PV-Anlage, die die Heizmatten an den Fässern mit Strom versorgen soll. Auch hier identifizierten wir eine Baustelle für die kommenden Wochen.
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23. Mai 2025: Kein Gas, aber trotzdem Feuer und Flamme
Ein Tag voller Erkenntnisse, Gespräche und geretteter Genüsse rund um die Biogasanlage in Altona. Eigentlich wollten wir an diesem Tag ein echtes Highlight feiern: das erste BioGAStmahl, gekocht mit selbstproduziertem Biogas aus der Anlage am Kulturenergiebunker. Doch als wir erwartungsvoll den Gassack prüften, war schnell klar: Der war leider leer. Traurig? Nicht im Geringsten. Schließlich ist die Biogasanlage ein Experiment, und genau das haben wir an diesem Tag wieder ganz deutlich gespürt und geschätzt.
Zu Beginn schauten wir gemeinsam ein Video von Severin (Vimeo), der kurz zuvor eine Gas-Messung an der Anlage durchgeführt hatte. Die Messung gab Aufschluss über die Zusammensetzung des Gases im Sack. Damit war klar: Die Mikroben in der Anlage scheinen irgendetwas zu machen, aber kein Biogas zu produzieren.
pH-Wert im grünen Bereich
Wir wollten es genauer wissen. Gunther nahm mit einem Schlauch Proben aus dem Inneren der Anlage und wir prüften den pH-Wert. Die gute Nachricht: Der lag im grünen Bereich. Um trotzdem vorbereitet zu sein, falls sich das einmal ändern sollte, experimentierten wir vorsorglich mit Kalksteinmehl und Natron. Weil der pH-Wert also unauffällig war, rückte ein neuer Verdächtiger in den Fokus: die Temperatur im Inneren der Anlage.
Waren der April und der Mai vielleicht doch noch zu kalt gewesen, um die Anlage in Gang zu bekommen?
Zwar beheizen Heizmatten die beiden Fässer, aber möglicherweise reichte die Wärme noch nicht aus, um den Mikroben ein optimales Arbeitsklima zu verschaffen. An diesem Punkt stellten wir fest, dass es aktuell viele Gründe geben kann, warum noch kein Gas produziert wird. Die Biogasanlage ist eine komplexe Maschine, die es einzustellen gilt. Und wir sammelten gerade erst unsere ersten Erfahrungen.
Kälbchendung zur Rettung
Mitten in unserer Spurensuche tauchte plötzlich ein neuer Faktor auf. Ein Plastiksack voll Kälbchendung, frisch vom Bauern. Zwei Personen hatten, offenbar durch ein Missverständnis, gedacht, die Anlage brauche heute noch etwas “Startermaterial”, und standen nun mit ihrer duftenden Lieferung bereit. Es sorgte für einige Lacher, aber bei der Fehlersuche hatten wir uns überlegt, dass es sinnvoll wäre, immer nur an einer Stellschraube zu drehen, um Ursachen besser erkennen zu können. Also blieb die Tüte erstmal zu.
Kochen mit geretteten Lebensmitteln
Und trotzdem: Unser Plan, gemeinsam ein köstliches Mahl zuzubereiten, war nicht gescheitert. Neben dem Gas zum Kochen brauchte es schließlich auch Lebensmittel. Diese wurde wieder einmal dankenswerterweise von foodsharing Altona bereitgestellt. Also wurde geschnippelt, was das Gemüse hergab, und wir freuten uns, dass all diese Zutaten nicht verschwendet wurden. Torsten sorgte dafür, dass aus den geretteten Lebensmitteln eine schmackhafte und liebevoll zubereitete Mahlzeit wurde.
Scheitern ist Teil des Lernens
Da das Biogas nicht wollte, wurde der Rocket-Stove zum Kochen angeworfen. Ein holzbefeuerter Herd, der seinem Namen alle Ehre macht. In kürzester Zeit brutzelten unsere geretteten Lebensmittel und bald darauf saßen wir gemeinsam beim Essen. Zwischen Gemüsepfanne, Salat und Gesprächen ging es immer wieder um die Biogasanlage, um die nächsten Schritte, offene Fragen und neue Ideen.
Und vielleicht war das sogar das größte Geschenk des Tages: Die Erkenntnis, dass Scheitern kein Rückschritt ist, sondern ein Teil des Lernens. Besonders dann, wenn man es gemeinsam erlebt.
Es war ein schöner, lehrreicher und leckerer Tag. Und er hat uns etwas Wichtiges vor Augen geführt: Auch wenn (noch) kein Gas im Sack ist, steckt doch jede Menge Energie in diesem Projekt.
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28. Juni 2025: BioGAStmahl auf der altonale visionair
Zum vorläufigen Abschluss des Projekts haben wir eine Demonstration angemeldet, genauer: einen Aufzug unter freiem Himmel. Die Behörden waren sehr kooperativ und haben nach vielen Gesprächen und Prüfungen erlaubt, dass wir den Biogassack mit echtem Biogas durch die Straßen Altonas tragen dürfen.
Hilfe in der Not aus Stelle
Da wir bis zuletzt kein Biogas aus unserer Mischung erzeugen konnten, haben wir uns kurzerhand woanders Biogas besorgt. Denn unser Versprechen, auf der altonale mit Biogas zu kochen, wollten wir auf jeden Fall halten. Andrea und Axel sind also kurz vorher mit dem Lastenrad zu einer Biogasanlage in der Umgebung gefahren und haben den Sack mit dem Kuhhintern dort vollgemacht.
Aufzug unter freiem Himmel
Am Tag der Demonstration trafen sich über 40 Menschen am Bunker in der Schomburgstraße, viele passend für den Almauftrieb gekleidet und mit Pappschilder in den Händen. In Begleitung der sehr hilfbereiten Polizei liefen wir zur Musik von DJ Curly Vinyl durch den Stadtteil und luden die Menschen am Straßenrand zum Essen ein. Es war dadurch ein sehr freundlicher Aufzug, der ohne Anfeindungen oder Störungen stattfinden konnte.
Schnippeln, kochen und ein Tanz über Kreislaufwirtschaft
Auf der Christianswiese angekommen, begann eine Gruppe sofort mit dem Schnippeln von gerettetem Gemüse und der DJ baute sein Pult auf. Währenddessen konnten wir einer Performance von Anna und Surya zu Kreislaufwirtschaft zusehen.
Sobald die Zutaten fertig geschnibbelt waren, kochte Torsten für uns in einer großen Pfanne ein leckeres Essen mit Biogas. Auch Nachtisch gab es: Obstsalat in recycelten Marmeladengläsern, so lange der Vorrat reichte.
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Blick zurück und nach vorn
Auch wenn wir durch die vergangenen Veranstaltungen schon einige Routine hatten, war dieser Nachmittag wieder etwas sehr besonderes. In Gesellschaft anderer Stände auf der Christianswiese zu sein, die auch die Potenziale erneuerbarer Energien herausstellten, fanden wir alle sehr positiv. Dadurch gab es auch mehr Laufpublikum, das sich auch für unsere Aktion interessierte.
Dass vierzig Menschen bei unserem “Aufzug unter freiem Himmel” mitgelaufen sind und die Kuhglocken geläutet haben, war ebenfalls sehr erfreulich. Die Menschen in Altona sind uns freundlich und aufgeschlossen begegnet, wir konnten einige gute Gespräche führen und neue Kontakte in unserem Netzwerk schließen.
Auch wenn wir bisher kein eigenes Biogas mit der Anlage in Altona erzeugen konnten, war die Bereitschaft und Zuversicht, mit diesem Projekt etwas Sinnvolles zu tun, sehr groß. Wir teilen den Eindruck, dass der Kern der Beteiligten an den vier Workshops nicht nur wegen des Ziels, Biogas zu erzeugen, zusammengekommen ist, sondern auch Gefallen am Austausch und dem gemeinsamen Essen von geretteten Lebensmitteln gefunden hat.
Wir freuen uns, dass wir das Projekt bis zum Beginn der kalten Tage im Herbst 2025 fortsetzen können und dabei weiterhin auf die Unterstützung vieler Ratgeber*innen und Unterstützer*innen vertrauen dürfen.
Lernanregungen der HOOU
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BioCycle – From Resource to Waste to Resource
Das Projekt "Wir geben Gas! Biogas für Altona" ist inspiriert von der Idee einer Kreislaufwirtschaft mit Lebensmittelabfällen, Biogas und Flüssigdünger. Im Lernangebot BioCycle kannst du dich über die Potenziale von Kreislaufwirtschaft mit erneuerbaren Energien informieren.
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