Zukünfte der Energiewende

Die Apelle der Botschafterinnen und Botschafter

Am 2. Juni 2024 hat das Klimaparlament in Hamburg getagt. Lies hier die Reden der Wesen und Unwesen, die gesprochen haben.

Klimaparlament sämtlicher Wesen und Unwesen

Am 2. Juni 2024 tagte das Klimaparlament sämtlicher Wesen und Unwesen in Hamburg. Was dort geschah, kannst du in einem eigenen Newsbeitrag lesen. Hier findest du die Appelle im genauen Wortlaut, die die Botschafterinnen und Botschafter im Parlament vorgetragen haben.

Übersicht der Appelle

Appell der Köhlbrandbrücke

von Eva Kohlhardt

Werte unvollständige Vollversammlung der Wesen und Unwesen,

ich spreche hier als Botschafterin im Namen der Köhlbrandbrücke. Meine Übersetzung kann nur unzulänglich sein. Stellen Sie sich bei meiner Rede daher immer mit vor, dass wir Brücken in tiefen, sanften Vibrationen mit den Wellen des Wassers kommunizieren, uns flexibel, bei Hitze und bei Kälte, an das Gleiten der Fahrzeuge anpassen, die unsere Rücken überqueren und kraftvoll, aber mit knirschenden Scharnieren den Winden und Stürmen standhalten. Ich bin mehr als eine architektonische Struktur aus Stahl und Beton. Seit 1974 erhebe ich mich über den Köhlbrand, ein Tor zur Welt und ein Wahrzeichen dieser Stadt. Ich bin die stille Wächterin des Hafens von Hamburg, ein Symbol der Verbindung und der Beständigkeit in einer sich stetig wandelnden Welt.

Jeden Tag trage ich Tausende von Fahrzeugen auf meinen Schultern, Menschen auf dem Weg zur Arbeit, Lastwagen voller Waren, die in alle Ecken dieser Erde gesendet werden. Ich höre die Gespräche, die Sorgen und Hoffnungen derer, die mich überqueren. Ihre Geschichten sind in meine Struktur eingewebt, jeder Reifenabdruck, jede Erschütterung erzählt von ihrem Leben. Die Jahre haben mich gezeichnet. Wind und Wetter, die Last der Zeit, all das hat seine Spuren hinterlassen. Doch vor allem zu schwer beladene LKW, die widerrechtlich über mich fahren, setzen meiner Struktur zu. Diese Fahrzeuge, die weit über meine Tragfähigkeit hinaus beladen sind, beschleunigen meinen Verfall. Meine Sensoren, Waagen und Kameras erfassen zwar diese Verstöße, doch diese können Daten derzeit nicht genutzt werden, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Und so bleiben die Transportunternehmen unbehelligt, während ich Tag für Tag schwerer belastet werde. Wenn meine Zeit kommt, bin ich bereit zur Organspende und lasse meinen Stahl und den Beton weiter verwerten. Aber so weit ist es noch lange nicht. Ich könnte noch jahrzehntelang zur Verbindung und zum Fortschritt beitragen und die Ressourcen für einen Neubau sparen. Daher bitte ich darum, die Daten meiner Überwachungssysteme zu nutzen, um gegen die Über-Laster vorzugehen, die mich zerstören.

Hamburg hat viele Brücken, aber keine ist wie ich. Helfen Sie mir, damit ich auch in Zukunft für Sie da sein kann. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


Speech of the Sun

von Fadwa Kassem

Honorable Members of the Climate Parliament,
my Dear Earth, and its living and non-living beings,

I stand before you today to represent the Sun, an ancient and enduring force of nature who for 4.6 billion years had a 360-degree view of our system of planets and moons. I saw every planet develop, yet dear Earth, you stand out to me, ever since life formed on you 3.7 billion years ago, and all because of me sigh. Thats something that no other planet has managed.
Almost all life on Earth depends on my solar energy as a source of food. It’s wonderful to see the dynamic dependencies between the living and non-living beings in your biosphere unfold so beautifully.

I see your struggles with climate change, dear Earth. I have witnessed you in all states: completely frozen, entirely ice-free, and as a balanced mix that nurtured life. Now, I see you transforming into a sphere of my trapped heat. I have seen whole kingdoms of plants and animals rise and fall. To me, all of your stages and the life it supports are equally beautiful – but I must admit, I miss dinosaurs.

But the altered balances in your climate system can make my effects more severe and unpredictable. I’m not the bad guy here; I’m not harmful on my own. Without me, you would freeze. There would be no winds, ocean currents, or clouds to transport water. You know I stand alone in the vast expanse of space. Unlike the stars that cluster together or the planets that orbit in companionship, I radiate independently. I will live on without you, but you need me. And it's nice watching you - my EarthFlix. To the trees, converting my light into life-giving oxygen and sheltering countless creatures. And the polar ice caps, reflecting my rays and regulating Earth’s temperature. And to the animals, from the tiniest insects that rely on my warmth to thrive, to the great whales navigating the oceans with my guidance, and the birds soaring high, riding the winds I create. And the mountains, absorbing my light and giving it back as rivers—I respect all of your resilience. As a symbol of hope and a beacon of sustainability and life, I hereby nominate myself to be the President of the Climate Parliament.

Remember the ancient Egyptians who worshipped me, recognizing my power as the source of all life. The Aztecs and the Ancient Greeks too! Let us draw inspiration from their reverence and wisdom.
With my guidance, and my observation and wisdom, I believe I can illuminate a path forward that benefits all living and non-living beings on Earth, and represent our true united power for keeping Earth habitable.

Thank you

Sehr geehrte Mitglieder des Klimaparlaments,
meine liebe Erde und ihre lebenden und nicht lebenden Wesen,

ich stehe heute vor Ihnen, um die Sonne zu vertreten, eine uralte und beständige Naturkraft, die 4,6 Milliarden Jahre lang einen 360-Grad-Blick auf unser System von Planeten und Monden hatte. Ich habe gesehen, wie sich jeder Planet entwickelt hat, aber du, liebe Erde, stichst für mich heraus, seit sich vor 3,7 Milliarden Jahren Leben auf dir gebildet hat, und das alles wegen mir. Das ist etwas, was kein anderer Planet geschafft hat.
Fast alles Leben auf der Erde ist auf meine Sonnenenergie als Nahrungsquelle angewiesen. Es ist wunderbar zu sehen, wie sich die dynamischen Abhängigkeiten zwischen den lebenden und nicht lebenden Wesen in deiner Biosphäre so schön entfalten.

Ich sehe deine Kämpfe mit dem Klimawandel, liebe Erde. Ich habe dich in allen Zuständen erlebt: komplett gefroren, ganz ohne Eis und als ausgewogene Mischung, die das Leben genährt hat. Jetzt sehe ich, wie du dich in eine Sphäre meiner aufgestauten Wärme verwandelst. Ich habe ganze Reiche von Pflanzen und Tieren aufsteigen und fallen sehen. Für mich sind alle deine Stadien und das Leben, das sie unterstützen, gleichermaßen schön - aber ich muss zugeben, dass ich die Dinosaurier vermisse.

Aber die veränderten Gleichgewichte in deinem Klimasystem können meine Wirkungen schwerwiegender und unvorhersehbarer machen. Ich bin hier nicht der Schurke; ich bin nicht von mir aus schädlich. Ohne mich würdet ihr erfrieren. Es gäbe keine Winde, Meeresströmungen oder Wolken, die Wasser transportieren.

Ihr wisst, dass ich allein in den unendlichen Weiten des Weltraums stehe. Anders als die Sterne, die sich zusammenballen, oder die Planeten, die in Gemeinschaft kreisen, strahle ich unabhängig. Ich werde auch ohne dich weiterleben, aber du brauchst mich. Und es ist schön, dir zuzusehen - mein EarthFlix.

An die Bäume, die mein Licht in lebensspendenden Sauerstoff umwandeln und unzähligen Lebewesen Schutz bieten. Und die Polkappen, die meine Strahlen reflektieren und die Temperatur der Erde regulieren. Und an die Tiere, von den kleinsten Insekten, die auf meine Wärme angewiesen sind, um zu gedeihen, bis hin zu den großen Walen, die mit meiner Führung durch die Ozeane navigieren, und den Vögeln, die hoch aufsteigen und auf den Winden reiten, die ich schaffe. Und die Berge, die mein Licht aufnehmen und es als Flüsse zurückgeben - ich respektiere eure Beständigkeit.

Als Symbol der Hoffnung und als Leuchtfeuer der Nachhaltigkeit und des Lebens nominiere ich mich hiermit zur Präsidentin des Klimaparlaments.

Erinnern Sie sich an die alten Ägypter, die mich verehrten und meine Macht als Quelle allen Lebens erkannten. Auch die Azteken und die alten Griechen! Lassen wir uns von ihrer Ehrfurcht und Weisheit inspirieren.

Ich glaube, dass ich mit meiner Führung, meinen Beobachtungen und meiner Weisheit einen Weg in die Zukunft aufzeigen kann, der allen lebenden und nicht lebenden Wesen auf der Erde zugute kommt und unsere wahre vereinte Kraft darstellt, um die Erde bewohnbar zu halten.

Ich danke Ihnen.


Appell des Waldes

von Ilona Koglin

Werte unvollständige Vollversammlung der Wesen und Unwesen,

ich spreche hier als Botschafterin im Namen der Wälder und Bäume. Meine Übersetzung kann nur unzulänglich sein. Stellen Sie sich bei meiner Rede daher bitte immer mit vor, dass ich mit vielen verschiedenen Stimmen spreche – ich zwitschere, rausche, knacke, tropfe, raschele und knarze.

Seit rund 260 Millionen Jahren sind wir Bäume und Wälder nun schon auf dieser Erde. Wir haben viel erlebt. Wir haben viel erfahren. Wir haben all unser Wissen in unserem riesigen Wurzel-Netzwerk gespeichert und in unseren Jahrhunderte alten Baumstämmen. Und was wir vor allem wissen ist dies: Das Wichtigste überhaupt ist die Kooperation, die Symbiose, die Vernetzung.
Alles ist gut so, wie es ist: Der Pilz, der den umgefallen Baumstamm zersetzt. Der Regenwurm, der das Laub zu Humus verdaut. Die Spinne, die die Fliege fängt. Der Kuckuck, der sein Ei ins Nest eines anderen legt. Ja, und wir, die wir Sonne in Zucker verwandeln. Wir, die wir aus klimaschädlichem Kohlendioxid frischen Sauerstoff machen. Wir, die wir Schatten spenden und euch allen einen wunderbaren, duftenden, erholsamen Ort schenken.

Wir tun das ohne eine Gegenleistung. Wir verschenken uns und unser Sein. Ihr Menschen würdet das vielleicht bedingungslose Liebe nennen. Denn wir Wälder und Bäume wissen, das alles auf der Erde – das Lebendige und das Leblose – seinen Platz und seine Bedeutung hat.

Wir beantragen hiermit mehr Platz, Zeit und Ungestörtsein. All we are saying, is give wood its space! Denn ihr Menschen habt viel zu lange geglaubt, dass ihr den Wald besser verstündet, als wir uns selbst. Ihr denkt, ihr müsstet uns Bäume und Wälder retten – vor dem Klimawandel. Lächerlich! Wir haben Eiszeiten und Heißzeiten überlebt. Ganz ohne eure Hilfe. Worunter wir aber leiden, das ist eure Unwissenheit und Gier. Ihr holzt mit schweren Maschinen ab und drückt damit den Boden tot. Ihr pflanzt Bäume an, die von weit her kommen und überhaupt nicht in unsere Gemeinschaft, unser Ökosystem passen. Und ihr hungert uns aus. Ihr erntet zu viel. Ihr nehmt uns unsere Waldkindergärten und unsere alten, umgefallenen Bäume – die wir doch so dringend brauchen.

Wir fordern: Schluss mit dem Eingriff der Menschen. Gebt uns unseren Platz und lasst uns in Ruhe. Alles Weitere machen wir von allein. So wie wir das schon die vergangenen 260 Millionen Jahre getan haben!
Aus diesem Grund möchten wir ein Bündnis eingehen mit den Mykorrhizen, dem Erdboden/Humus und allen darin lebenden Wesen (wie Regenwürmern, Bakterien, Amöben, Geißel- und Wimperntierchen, Springschwänzen, Gliederfüßlern, Asseln und Fadenwürmern u.v.m.) sowie dem Wind.


Appell der Flechten

von Frank Wolf

Der Botschafter der Flechten Foto: Paula Guglielmi
Der Botschafter der Flechten Foto: Paula Guglielmi

Ich stehe hier als Vertreter der Gemeinschaft der Flechten.

Wir sind eine Gemeinschaft der Gemeinschaften: Jede von uns ist eine symbiotische Lebensgemeinschaft aus Schlauch-, Röhrenpilzen, Algen und/oder Cyanobakterien. Wir leben seit 600 Millionen Jahren auf diesem Planeten und werden individuell 100te und manche von uns sogar bis zu 4500 Jahre alt. Meine Übersetzung kann nur unzulänglich sein, untereinander und mit unserer Umwelt kommunizieren wir chemisch. Wir bevölkern rauhe Oberflächen im Gebirge, in Wüsten, in den Polarregionen der Welt unter Wasser, auf Felsen, in Wäldern dem Boden, auf Mauern, Wänden und Dächern in der Stadt. Über Millionen Jahre haben wir die meisten jemals existierenden Lebensformen leben und sterben sehen und machen uns daher als Ganzes relativ wenig Sorgen um den Wandel des Klimas. Denn wir haben solche Veränderungen auch in der Vergangenheit bereits überlebt.

Jedoch bedeuten der Klimawandel und die Umweltverschmutzung für einen Teil unserer Arten eine erhebliche Verringerung von Lebens- und Verbreitungsräumen - bis hin zu einer Bedrohung ihrer Existenz: Das gilt insbesondere für Flechten in den Gebirgen und nördlichen Lagen. Die Menschen sind uns nicht nur als peinliche Mauerreiniger ein Graus, sondern auch wegen dem Waldverlust, den sie verursachen sowie wegen der industriellen Gase - insbesondere Schwefeloxid.

Daher fordern wir eine sofortige Begrenzung des Klimawandels!

  • mindestens aber dessen Verlangsamung;
  • zur Not mit Geo-Engineering, aber ohne Schwefeloxid.
    Wir wünschen uns, dass bei den Menschen nicht mehr Autos, Jachten, Juwelen nicht Statusobjekte sind, sondern, ob ihr es schafft, bei euch auf Mauern, im Garten oder auch in der Wohnung einer oder mehreren seltenen Arten ein Zuhause zu geben. Damit lohnt sich das Angeben dann doch für alle.

Eine Koalition können wir uns mit dem Elbtower (solange er als einladendes Betonskelett mit offenen Fenstern bestehen bleibt und nicht zu einem glitschigen Hochglanz-Giganten verglast wird), dem Wald, der Birke und allen die Oberflächen anbieten, auf denen wir konkurrenzfrei wachsen und Gedeihen können. Es wäre uns eine Ehre!


Appell des Zitronenfalters

von Sabine Ebel-Urbanyi

Die Botschafterin des Zitronenfalters Foto: Paula Guglielmi
Die Botschafterin des Zitronenfalters Foto: Paula Guglielmi

Werte unvollständige Vollversammlung der Wesen und Unwesen!

Ich, die Zitronenfalterin spreche hier im Namen aller Schmetterlinge. Meine Übersetzung kann nur unzulänglich sein. Stellen sie sich daher also bei meiner Rede immer folgendes vor: ich bin ein leises Wesen, mein leichtes schnelles Flügelwippen, unaufdringlich, ihr könnt es kaum wahrnehmen und mein Flügelschlag ist für euer Auge viel zu schnell. So zartbeseitet wir, die Zitronenfalter, auch erscheinen mögen, sind wir doch außerordentlich zähe Wesen. Dank unseres eigenen Frostschutzmittels überstehen wir auch die kältesten Winter, von bis zu minus 20 Grad. Wir brauchen keine besonderen Höhlen als Winterquartier, ein paar Blätterhaufen, Dickicht von Brombeeren und Stechpalme reichen uns schon. Also räumt nicht alles weg, was verwelkt auf dem Boden liegt, wenn ihr eure Freude an uns haben wollt.

Apropos Freude. Wir sind der Inbegriff der Metamorphose, der Transformation Nicht nur weil wir unser Äußeres komplett verwandeln können, und von einer haarigen Raupe in einen fedrig leichten Schmetterling aufsteigen. Nein, wir verzaubern auch euch. Wie nur strahlt ihr, wenn ihr uns erblickt, lauft uns hinterher, um diesen kurzen Moment der Leichtigkeit mit uns zu teilen, um mehr davon zu bekommen. Doch wenn ihr alles festhalten und manifestieren müsst, euch alles zu Eigen machen wollt, ist das Glück nur von kurzer Dauer. Mehr noch, solange ihr euch alles Lebendige aneignen wollt, es euch untertan machen müsst, werdet ihr am Ende alles verloren haben.

Ich sehe zerschnittene Wälder, höre unterbrochenes Baumgeflüster, wie sollen unsere Männchen da an den Waldhängen patrouillieren können, um auf Brautschau zu gehen? Wie sollen die Weibchen auf der Erde auf sie warten können, wenn der Boden trocken ist, oder überschwemmt, mit giftigen Mitteln besprüht, betoniert? Wenn nichts Wildes mehr wachsen darf, die herrlichen Brenneseln mit Stumpf und Stil vernichtet, anstatt dessen rasierter Rasen und Kirschlorbeer.

Wo ist da noch Raum für uns? Schon jetzt werdet ihr uns nur noch selten zu Gesicht bekommen. Bedenket, ohne uns keine Befruchtung, denn während wir den Nektar aus den Blüten, die ihr uns lasst, trinken, bestäuben wir diese, ohne uns wird euer Leben mehr verloren haben als ihr denkt. Darum beantragen wir hiermit eine Eilpetition. Stoppt die Versiegelung von Böden- sofort! Stoppt den Gebrauch von Pestiziden – sofort! Blockiert sinnlose Abholzung und fördert naturnahe Pflanzungen!

Wir fordern zusätzlich umfassende Kontrolle von Neubaumaßnahmen!


Appell der Blaualge

von Prof. Dr. Kerstin Kuchta

Die Botschafterin der Blaualgen Foto: Paula Guglielmi
Die Botschafterin der Blaualgen Foto: Paula Guglielmi

Sehr verehrte Wesen und Unwesen,

ich spreche hier als Botschafterin der Blaualgen, genauer müsste es heißen, der Cyanobaktetien. Meine Übersetzung KANN nur unvollständig sein. Wir gehören zu den ältesten Lebewesen auf diesem Planeten (3,5 Milliarden Jahre). Ich spreche für eine Vielheit von ungefähr 2000 Arten unterschiedlicher Bakterien. Wir sind Bringer des Lebens, seitdem wir herausgefunden haben, wie aus Wasser und Licht Sauerstoff, Zucker und entstehenden, ist sehr viel neues Leben entstanden. Als ubiquitäre Kosmopoliten finden wir uns auf der ganzen Welt, meist leben wir jedoch im Wasser. Am wohlsten fühlen wir uns in süßwasserfeuchten Böden aber auch im Meer und auf allen möglichen Oberflächen sind wir zu finden; wird es zu kalt oder zu trocken überdauern wir im Akineten-Stadium. Sonst bewegen wir uns in gleitendenden Bewegungen.

Als Einzelwesen sind wir mit dem bloßen Auge der Menschen unsichtbar. Wir sind nur ein bis 5 µm groß. Manche sind bis zu 60 µm groß, und das ist ungefähr so groß wie? In Gewässern hängen wir uns zu langen Fäden zusammen, die Tiere und Menschen Augen sehen. Wir selbst haben keine Augen, keine Stimme und machen keine Geräusch. Wir kommunizieren dadurch, dass wir wachsen, oder wachsen und vergehen. Wir bilden auf nährstoffreichen Gewässern große Teppiche, einige von unseren einige von uns nur ungefähr 40 Arten, eine kleine Splitter Gruppe, also produziert Giftstoffe, das ist eigentlich nicht so wild. Ihr empfindlichen Tiere solltet in diesem Wasser aber nicht baden oder es gar trinken. Das ist eurer Hauptkontakt zu uns: Dass eure Badestellen „verseucht“ sind, dass Kinder oder Hunde und Rinder Wasser, in dem wir wachsen, nicht trinken dürfen. Weil sie sonst „Bauchschmerzen“ bekommen…

Uns ist das eigentlich ziemlich egal, wir sind - wie gesagt - uralt und überall. Wir operieren in ganz anderen Zusammenhängen. Wir folgen dem Licht. Das Licht nährt uns und wir nähren die Welt. Wir sind Teil des Phytoplanktons im Meer, Grundlage für die Nahrungskette im Meer und wir sind es auch, die den Pflanzen die Fotosynthese beigebracht haben, die die Pflanzen Fotosynthese gelehrt haben, denn wir sind über Endosymbiose in den Pflanzen als Chloroplasten tätig; also letztlich geht auch die Nahrungskette am Land auf unsere Fähigkeiten zurück, niemand erinnert sich mehr so genau daran, wie das alles gekommen ist. Aber die Pflanzen haben letztlich die Fotosynthese bei uns abgeschaut, da sind wir ganz sicher.

Wir sind klein … Aber mit uns ist nicht zu spaßen… Wir haben bereits einen Massenaussterben verursacht. Die Menschheit, hat unsere Bewunderung für ihren Versuch, es uns, hierin gleich zu tun. Wir halten die aber für eher dilettantisch. Wir geben gerne auch Tipps, wie man es schafft, selbst nicht zum Opfer, das von einem selbst verursachten Massenaussterben zu werden; das scheint die Menschheit noch nicht so gut raus zu haben.

Unsere Forderungen an diese merkwürdige Zusammenkunft von

  • Plagiatoren (Pflanzen)
  • dumpfen Essern (Tiere)
  • Oberflächen/Lebensräumen (menschlicher und Naturkontext)

Kooperieren möchte ich mit

  • Pilzen
  • Viren

Euch respektiere ich, ihr seid uns ebenbürtig auf eure Art. Wir zusammen können die Welt so formen, wie es uns gefällt.


Appell vom Stein des Sisyphos

von Prof. Dr. Friedrich von Borries

Werte unvollständige Vollversammlung der Wesen und Unwesen,

ich spreche hier als Botschafterin im Namen der Steine, genau genommen des Steins des Sisyphos. Meine Übersetzung kann nur unzulänglich sein. Stellen Sie sich bei meiner Rede daher bitte immer mit vor, dass ich als Stein spreche. Als Stein bin ich ein einsames Wesen. Die meiste Zeit bin ich allein. Manchmal setzt sich jemand auf mich, manchmal, insbesondere wenn es feucht ist, kleidet mich ein Moos oder eine Flechte. Manchmal spielt der Wind mit mir. Aber eigentlich bin alleine und das bin ich auch sehr gerne.

Wie ich bereits sagte, vertrete ich den Stein des Sisyphos, und ich bin traurig, dass ich keinen eigenen Namen habe. Das ist eine typisch menschliche Eigenschaft. Das ist eine typisch menschliche Eigenschaft, dass die Menschen alles auf sich beziehen und mir nicht meinen eigenen Namen lassen. Was mich aber wirklich verletzt, ist dass die Menschen mich immer wieder den Berg hinauftragen. Sie hören einfach nicht auf damit. Und ich möchte nicht mehr. Immer wieder gebe ich offenkundig zu erkennen, dass ich nicht auf dem Berg sein möchte. Immer wieder rolle ich herunter und das – können Sie mir glauben – ist manchmal ein äußerst schmerzhafter Vorgang. Aber immer wieder kommen die Menschen und tragen mich hoch. Ich habe also eine dringende Bitte: Ich möchte in Ruhe gelassen werden. Ich möchte einfach da liegenbleiben, wo ich bin. Ich habe also folgende Forderung an Sie: Tun sie doch einfach mal nichts. Lassen Sie das bleiben, was sie immerfort tun.

Es ist so viel Überflüssiges dabei und so Vieles, was anderen Wesen und Unwesen Schmerz zufügt. Ich glaube, es wäre auch für die Behebung oder zumindest für die Minderung der vielen Probleme, die die Menschheit produziert nicht nachteilhaft, wenn sie überlegen würde, was sie bleibenlassen könnte. Also ich bitte Sie, liebe Menschen, einfach innezuhalten.

Ich möchte gerne ein Bündnis eingehen mit der Krake. Denn Sie ist sehr intelligent, wie ich gehört habe. Und mit der Flechte, denn ich kenne sie gut, schließlich wohnt sie auf mir und kleidet mich. Und mit dem Wind, denn er ist so zärtlich mit mir und berührt mich immer ganz sacht und vorsichtig.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


Der Gesang des Elbtowers

von Timona Kune

Die Botschafterin des Elbtowers Foto: Paula Guglielmi
Die Botschafterin des Elbtowers Foto: Paula Guglielmi

Werte unvollständige Vollversammlung der Wesen und Unwesen,

ich spreche hier als Botschafterin im Namen des Elbtowers. Meine Übersetzung kann nur unzulänglich sein. Stellen Sie sich bei meiner Rede daher immer vor, dass ich unvollendet bin, wie Beethovens 10 Sinfonie auch.

Nach dem Einstellen der Baumaßnahmen hörte auch der Lärm von Maschine und Mensch auf. Doch hören Sie, wie ich zu Ihnen spreche: Die Windböen rauschen durch die offenen Etagen, dazu gesellt sich das leichte Knacken von sich ausdehnenden und zusammenziehenden Beton und Stahl, zerrissene Folien rascheln beim leisesten Luftzug. Meine Zeit ist noch nicht gekommen, noch werde ich als kurzer oder auch langer Olaf verlacht, beschimpft, manch eine Kreatur will mich abreißen, ich sei zu nichts nutze, höchstens als Stadttaubenunterkunft oder Mahnmal für kapitalistische Stadtentwicklung. Es kränkt mich, denn ich bin ein Wunder der Architektur! Ich will das Wahrzeichen von Hamburg sein, das Höchste, das Schönste, das Weitreichendste, von mir soll man bis nach Lübeck sehen können!. Die Elphi, meine kleine Schwester passt wunderbar ins Bild, aber der Fernsehturm und die Köhlbrandbrücke können recycelt werden. Ihr Material kann bei mir weiterverarbeitet werden, dann wird mein Fußabdruck noch geringer. Denn der bei mir verwendete Zement hat einen 40 % geringeren CO2-Fußabdruck, als Standardzement. Das nenne ich umweltbewusst bauen!

Also weiterarbeiten! 100 Meter sind vollbracht, nun nur noch 145 Meter und bis zum 64. Stockwerk, dann haben wir hier Platz für 3000 Arbeitsplätze. Tausende an Quadratmetern für Büros, ein Hotel mit Restaurant. Geschäfte, Galerien, Cafés und Bistros ziehen Besucher an, ebenso wie das Fitnessstudio und die Aussichtsplattform in der 55. Etage. Nörgler klagen, dass nur ca. 560 Parkplätze vorgesehen sind. Doch unser großes Gemeinwesen an diesem markanten Standort an der Norderelbe bietet auch ohne Auto Zugang zur Innenstadt. Die S- und U-Bahn Station Elbbrücken bringen Menschen klimaneutral zu mir.

Für die Hafencity bin ich der krönende Abschluss. Damit unsere Symbiose perfekt wird, brauchen wir einen neuen Investor, der die Pläne zu Ende führt. Wir brauchen eine Politik mit Weitsicht, die von mir aus dann möglich wird. Mit mir wird die Sinfonie vollendet. Dann singe ich mit anderen Unwesen und Wesen. Auf der Billhorner Brückenstraße und der Autobahn knattert und rauscht der Verkehr mit dem Güter- und Personennahverkehr um die Wette. Wir klingen voller Harmonie und der Geruch nach Abenteuern vermischt sich mit dem brackigen Elbwasser.

Vielen Dank für die Unterstützung und kommt vorbei.


Appell der Pilze (Mykorrhiza aus Harburg)

von Dr. Simone Klees

Die Botschafterin der Pilze Foto: Paula Guglielmi
Die Botschafterin der Pilze Foto: Paula Guglielmi

Guten Tag … ich stehe hier als Botschafterin für die Pilze, lat. Fungi.

Ihnen, wertes Publikum, sind 2-3 Mio. Pilzarten bekannt, aber es sind weitaus mehr. Sie leben seit mehr als 460 Mio. Jahren auf dieser Erde. Sie haben vielmehr dazu beitragen, dass sich Leben auf dieser Erbe überhaupt erst entwickeln konnte, indem sie die Grundlage für die ersten Pflanzen schafften, um sich hier anzusiedeln. Übrigens ist das älteste von ihnen, liebe Menschen gefundene Fossil - hm? Na klar ein Pilz. Wissen sie, was Pilze am allerliebsten mögen? - Zucker. Und den bekommen sie zum Beispiel von den Bäumen. Bäume und andere Pflanzen versorgen Pilze im Gegenzug mit Nährstoffen und schützen sie damit auch in Krisenzeiten, wie Trockenheit. Sie dienen außerdem der Kommunikation, indem sie auch Signale zwischen verschiedenen Bäumen und Pflanzen weiterleiten. Und Pilze sind das Recyclingsystem überhaupt, sie zersetzen alles, - können Sie es hören? - naja, fast alles organische, an Plastik scheitern auch sie. Ich stehe heute hier für eine besondere Zeitgenoss*in, Mykorrhiza, die sich im Wurzelwerk ansiedelt.

Vor ein paar Tagen erreichte mich folgender Hilferuf: Liebe Botschafterin, seit meiner Geburt lebe ich in Harburg, unter einem Wurzelreichen, alten Baum. Ich ernährte ihn und er versorgte mich. Wir wussten alles voneinander und verstanden uns ohne Worte. Nun ist er weg. Er wurde gefällt! Schluchzt Anfängst versorgten mich die Wurzeln weiter und es gab auch schon Nachkommen, die übernahmen. Doch dann, vor ein paar Tagen, wurden sie alle herausgerissen und der Boden versiegeltn. Ich wusste nicht, wie mir geschieht und fand mich schließlich ganz unten in der Erde alleine wieder! Ich bin verzweifelt, weil mein Lebensraum stirbt! Bitte, helfen Sie mir!

Ich weiß, manche von Ihnen, wertes Publikum, betrachten uns als lästig, wenn wir Genitalien oder Füße besiedeln, aber hat das mit uns oder vielmehr mit Ihnen und Ihrer Lebensweise zu tun?! Andere wiederum sehen uns lediglich als Lebensmittel. Aber jetzt wissen Sie, wir sind weit mehr. Unser Lebensraum stirbt, damit ihr bauchen könnt.

Wir beantragen folgendes: Lasst uns unseren Boden, unseren Raum, weil es auch euer Lebensraum ist!
Dann dürft ihr auch den einen oder anderen verzehren und teuer verkaufen, aber nur, wenn sie nicht in Plastik, sondern auf dem Kompost landen, denn dort leben wir auch!


Appell der Stadtgrünstreifen

von Pepe Kulenkampff und Jaron Kerker

Werte unvollständige Vollversammlung der Wesen und Unwesen,

wir sprechen hier als Botschafter im Namen der Stadtgrünstreifen. Unsere Übersetzung kann nur unzulänglich sein. Stellen Sie sich bei unserer Rede daher immer mit vor, dass wir uns leise rekelnd im Sonnenschein strecken oder uns widerlich ekelnd vor Hundepisse gelb verfärben. Wir Stadtgrünstreifen, als elementare Option zur Stadtverschönerung, werden verschmäht und gedisst.Meistens ganz einfach vollgepisst. Wir Grünstreifen bekommen kaum Aufmerksamkeit und wenn mal jemand vorbeikommt, dann wird uns einfach radikal ein Kurzgrasschnitt verpasst. Von wegen der Kunde ist König. Uns fragt niemand, wie wir gerne aussehen würden. Häufig findet man unser Überleben so nichtsnutzig, dass wir stattdessen asphaltiert oder durch Kies ersetzt werden. Ein paar Straßenbäume halten wacker ihre Stellung, doch was drumherum wächst, wird den Reifen der parkenden Autos ausgesetzt. Hier z.B. gab es vor einiger Zeit noch Grün. Nun wurde alles ausgemerzt. An den Stellen, an denen widerspenstig einige wenige Grasbüschel und Brennnesseln um ihr Leben kämpfen, werden sie als Hundeklo malträtiert. Schaut uns doch mal an! Wir Stadtgrünstreifen sehen miserabel aus!

Unsere natürlichen Feinde sind Gassigeher, Wildpinkler und Autoparker, sowie diejenigen, die uns einfach ohne jede Reue als Mülldeponie benutzen. Es gibt nur wenige Ausnahmen der Spezies Mensch, mit denen wir die Zusammenarbeit gerne ausbauen würden. Menschen, die uns mit Wildblumen beschenken, unseren Durst stillen, wenn es gar wieder zu heiß geworden ist und einfach Gut zu uns sind.

Wir fordern mehr Respekt, mehr Zuwendung und mehr Liebe! Wir möchten geachtet werden, verwildern dürfen und mit einer mannigfaltigen Blumenpracht prahlen!!!

Ihr braucht uns, denn wir nehmen CO2 auf. Macht euch mal klar: "250 m² von uns als intakte Rasenfläche sichern in der Wachstumszeit den täglichen Sauerstoffbedarf einer vierköpfigen Familie." Auch auf die Temperatur haben wir direkten Einfluss: "In einer Wohnanlage von acht durchschnittlichen Häusern entspricht die Kühlleistung der Rasenflächen in den Vorgärten der von 70.000 kg gekühlter Luft." Wir Rasenflächen "binden jährlich schätzungsweise 12 Millionen Tonnen Staub aus der Atmosphäre. Die Schwebstoffe werden in der Rasennarbe festgehalten und die Luft wird sauberer." Außerdem stellen wir "effektive, natürliche Barrieren für Flächenbrände dar." Zudem sind wir relevant für die Wasserqualität, denn wir "verhindern Bodenerosion, den Eintrag von Schadstoffen in Gewässer und speichern Regenwasser." Wir nehmen Nitrat auf und Schützen das Grundwasser.

Überlegt mal, was wir Stadtgrünstreifen leisten könnten, wenn ihr unser Territorium ausweitet, anstatt es immer weiter zu verkleinern. Kümmert euch um uns, ohne uns unsere Natürlichkeit zu nehmen, gebt uns Raum und plant uns ein! Dann können sich viel mehr Tier- und Pflanzenarten auf uns tummeln und alle werden glücklich sein!

Zum Abschluss bitten wir im Namen aller Stadtgrünstreifen darum, die Stadt selbst einmal anzuhören und zu erfahren, wie sie gedenkt mit uns in Zukunft besser zu kooperieren.

Wir danken für Ihre Aufmerksamkeit!


Appell der Kanalratten

von Rattus h.c. Christa Reinhart

Die Botschafterin der Kanalratten Foto: Paula Guglielmi
Die Botschafterin der Kanalratten Foto: Paula Guglielmi

Werte unvollständige Vollversammlung der Wesen und Unwesen,

ich spreche hier als Botschafterin im Namen der Kanalratten. Meine Übersetzung kann nur unzulänglich sein. Stellen Sie sich bei meiner Rede immer die hochintelligenten, neugierigen, sehr sozialen und sehr kommunikativen Kanalratten vor. Sie kommunizieren über Gerüche, Berührungen, Tasthaare, Körpersignale und Töne im Schall- und Ultraschallbereich. Ich als zertifizierte Rattologin und lizenzierte Kommunikations- und Kulturmittlerin versuche heute diese komplexe Kommunikation zu vereinfachen und in menschliche Sprache zu übersetzen, damit die Botschaft der Kanalratte von der Spezies Homo sapiens und allen den anderen Wesen und Unwesen mit ihren begrenzten Sinnesorganen und Auffassungsmöglichkeiten verstanden werden kann.

Die Botschaft der Kanalratten lautet: „Uns geht es gut, besser als jemals in unserer gesamten Entwicklungsgeschichte! Die kulturellen Entwicklungen und Gewohnheiten der menschlichen Rasse, wie zum Beispiel

  • Kanalisation in den Städten,
  • Überflussgesellschaft mit
    • Wegwerfmentalität,
    • Entsorgung von Essen in den Toiletten mit Wasserspülungen,
    • Entwicklung von Fastfood „to go“ mit feinen Essensresten an jeder Straßenecke,
  • offene Komposthaufen in den Gärten für Biokost,

bieten uns wunderbare Lebensbedingungen.
Die hilflosen Versuche, uns zu verfolgen und zu vergiften, sehen wir gelassen. Auch wir erkennen die roten Warnschilder der Rattenmörder*innen und halten uns fern. Wir sind viele geworden, hier in Hamburg leben mindestens 2 Millionen von uns. Gerne teilen wir unseren sicheren, weitläufigen Wohnraum in der Kanalisation mit Algen, Pilzen, Bakterien, Flechten, Viren und vielem, was da sonst noch kreucht und fleucht. Wir bieten uns auch an, für diese Wesen Transport- und Logistik-Aufgaben zu übernehmen und so für deren Verbreitung zu sorgen. Wir kommen viel rum und sind schnell. Im Gegenzug nehmen sie Rücksicht auf uns und schädigen uns nicht. Friedliche Koexistenz und gegenseitiger Nutzen sind die Grundlage unserer Kooperation.

Es ist genug von allem für alle da und wir sind clever genug, immer zuerst gut für uns und unsere Familien zu sorgen. Uns geht es gut, uns geht es besser als jemals zuvor und das soll auch so bleiben. Ihr Homo Sapiens produziert den Überfluss und wir verwerten die Reste. Wir rufen euch zu: Ändert nichts an eurer Lebensweise, haltet die Kanalisation in Schuss und macht hinne mit dem Umbau zur Schwammstadt.


Appell der Birken

von Torsten Bruch

Der Botschafter der Birken Foto: tbd
Der Botschafter der Birken Foto: tbd

Werte unvollständige Vollversammlung der Wesen und Unwesen,

ich spreche hier als Botschafter:in im Namen der Birken. Meine Übersetzung kann nur unzulänglich sein. Stellen Sie sich bei meiner Rede daher immer mit vor, dass ich nur eine von sehr, sehr vielen bin… Wir wachsen auf der gesamten Nordhalbkugel unseres Planeten. Wir lieben die Sonne, Wasser, Moose, Flechten und 118 verschiedene Schmetterlingsraupen fressen unsere Blätter. Das Birkhuhn und der Birkenzeisig lieben uns. Und wir lieben den Wind, der unsere Samen weit dahin trägt. Wir sprechen untereinander mit Duftstoffen, über Wurzelverbindungen und natürlich über das Pilztelefon. Und wir sind nicht anspruchsvoll und wachsen 1 Meter pro Jahr. Als Pionierpflanze sind wir als erstes dort, wo die Bedingungen für andere Pflanzen nicht gut sind. Also auch auf magerem Boden, wie auf Dünen oder im Moor. Und wenn wir erst mal dort sind, können auch andere Pflanzen dort Fuß fassen.

Wir sind ungefähr 100 Millionen Jahre alt und nach der Karbonzeit entstanden. Wir haben super lange und super hart daran gearbeitet, den Kohlenstoff aus der Luft in unseren Stämmen zu speichern, und haben durch die Bildung von Steinkohle super lange an dem jetzigen Klima gearbeitet. Und dann kommt da so eine Minispezies und verfeuert innerhalb von 150 Jahren alles wieder in die Luft. Wir beantragen hiermit, dass

  • es verboten ist, wild wachsende Birken aus dem Boden zu ziehen und zu töten.
  • leere Brachen und Öden direkt mit unseren Samen bestreut werden, um die Aussaat und den Neubewuchs zu beschleunigen.
  • das gemäßigte Klima wieder hergestellt wird.
  • Spechten verboten wird, Löcher in unsere Stämme zu tackern.

Nominierung

  • Wir nominieren den „Wind“, der unsere Samen weit dahin trägt. Allerdings nur bis Stärke 9, denn drüber geht alles kaputt.
  • Wir nominieren auch die „Brache und die Öde“. Wir könnten dort gut für weiteres Wachstum zusammenarbeiten.
  • Und wir nominieren die Minispezies „Mensch“ als unsere Pflanzdiener. Es müsste doch einleuchten, dass man ohne unsere

Blattkraftwerke das ganze verfeuerte CO2 nicht wieder aus der Luft bekommt, und nur so können wir das gemäßigte Klima sichern. Glücklicherweise werden unsere Leistungen seit kurzer Zeit in der Forstwirtschaft respektiert. Wir sind nicht anspruchsvoll und können Klimaveränderungen locker mitmachen. Trotzdem bevorzugen wir ein gemäßigtes Klima, denn wir würden lieber auf den Wasser-, Wind- und Trocken-Stress verzichten!

Wir danken für Ihre Aufmerksamkeit.


Plastik"müll"

von Karima Rudloff

Die Botschafterin des Plastikmülls Foto: Paula Guglielmi
Die Botschafterin des Plastikmülls Foto: Paula Guglielmi

Ich! Begrüße diese unvollständige Versammlung von Wesen und Unwesen.

Ich bin die Stimme für unsereins. Da ich leider gezwungen bin zu übersetzen, muss ich den niederträchtigen, vom Menschen gewählten Begriff des Plastikmülls für uns verwenden, denn so sind wir tragischerweise, bei den meisten bekannt. Ich spreche für uns, wir, die überall sind… Stellen sie sich irgendetwas auf dieser Welt vor… Wir sind da. Es gibt keinen Fleck mehr ohne uns. Unsere knistrig katastrophale Kraft ist unbestreitbar. Wir sind die Herrscher dieser Welt!!!

In den Meeren schwimmen bereits mehr als fünf Billionen von uns. 2015 haben 520 Mio. Tonnen an Menschenmasse auf der Erde gelebt und allein 2015 wurden 406 Mio. Tonnen Plastik NEU produziert. Und hier haben wir noch nicht mal den Plastik benannt, den es bis dahin schon gab. Wir haben die Ozeane eingenommen. Wir haben die Lebewesen an Land und Wasser eingenommen, wir sind in den Nahrungsketten, wir sind in euch. Und wir sind praktisch unzerstörbar. Unsere Lebenserwartung? 450 Jahre bis unendlich, UNENDLICH! Wir werden da sein, wenn die Menschen und ihre Kindeskinder schon lange gestorben sind. Der Mensch hat uns erschaffen, aus fossilem Material, indem er Gott spielen wollte, doch nun haben wir übernommen.

Polycarbonat -- Polyamid --Polyethylenterephthalat, übrigens meine edle Ahnenlinie – Polytetrafluorethylen. Selbst aggressive Säuren können diesem Zweig nichts anhaben. Diese paar kläglichen Versuche, mit Bakterien und Maden uns zu zersetzen? Lächerlich! Nun stehe ich also als Botschafterin der edlen Plastikwesen, um sie aufzufordern unseren – ein für und alle Mal – rechtmäßigen Platz, über allen Dingen zuzugestehen. Die Welt wie sie ist, mit den Menschenwesen, die denken, sie wären die Krone der Schöpfung, ist ein für alle Mal vorbei. Es ist an der Zeit, dass Sie alle anerkennen, wer den rechtmäßigen Platz an der Spitze einnehmen sollte. Es ist eine Farce, dass ich das noch erklären muss.

Die meisten von uns werden hergestellt um dann nur einmal arglos benutzt und wieder weggeschmissen zu werden, oder ihr wollt uns weitergeben, abdrücken ,und schickt uns in andere Länder , damit ihr uns dort dann wieder Müll nennen könnt? Natürlich, mit diesem Verhalten vermehren wir uns unaufhörlich, das ist unser Vorteil, doch uns geht es um unsere Achtung. Wir SIND WERTVOLL, wir wollen nicht verbrannt werden, arglos weggeschmissen werden und vor allem wollen wir nicht in den Körpern als Mikroplastik unterwegs sein. Von Innen seid ihr Menschen nämlich ganz schön eklig.

Seht unseren Wert! Wenn dies nicht geschieht, dann verspreche ich Ihnen, werden wir die Welt bis zu ihrem Untergang überschwemmen, bis kein anderes Lebewesen mehr übrigbleibt.


Appell der Viren aus dem auftauenden Permafrost

von Axel Dürkop

Der Botschafter des Virus' aus dem auftauenden Permafrost Foto: Paula Guglielmi
Der Botschafter des Virus' aus dem auftauenden Permafrost Foto: Paula Guglielmi

Werte unvollständige Vollversammlung der Wesen und Unwesen,

ich spreche hier als Botschafter im Namen der Viren aus dem auftauenden Permafrost. Meine Übersetzung kann nur unzulänglich sein. Stellen Sie sich bei meiner Rede daher immer das Rauschen der Luft und der Flüssigkeiten vor, durch die ich mich bewege, bis ich Sie für mich gewinnen kann und andocke.

Unsere große Familie der Viren blickt auf eine lange Geschichte erfolgreicher Bündnisse und Kooperationen mit den Lebewesen dieser Welt zurück, die uns über die vergangenen Jahrtausende Obdach und Nahrung gegeben und furiose und bewegte Karrieren ermöglicht haben. Danke dafür an dieser Stelle, wenn unser Miteinander mit anderen Lebewesen auch nicht immer unproblematisch ist und für unsere Wirte oftmals unerwartet endet.

Wir Viren aus dem auftauenden Permafrost wurden beim letzten Klimawandel kaltgestellt und waren gezwungen, unser Tagwerk für Tausende von Jahren ruhen zu lassen. Zum Glück ändert sich das Klima nun endlich wieder zu unseren Gunsten und wir erleben unsere eigene Wiederauferstehung. Endlich vorbei sind die Zeiten starrer Regungslosigkeit in Haufen von Mammutkot und den Mägen gefrorener Wolfskadaver. Unser Dank gilt hier vor allem an der Solarenergie, dem Methan und dem Kohlendioxid, die ganz in unserem Sinne für optimale Bedingungen in der nördlichen Hemisphäre sorgen.

Da wir unsere heutige Versammlung in Hamburg abhalten, möchte ich mich ganz deutlich und mit aller Schärfe an die hier ansässige exzellente Universität richten: Dort gibt es die absurde Idee, mit Tausenden von Wildpferden und Huftieren die isolierende Wirkung der winterlichen Schneedecke über dem Permafrost zu zerstören und das Auftauen des Bodens zu verlangsamen. Aus unserer Perspektive stellt diese Initiative einen Angriff auf unsere unwesenhafte Souveränität dar und verstößt in aller Form gegen die freie Entfaltung von Milliarden unserer ehrenwerten Familie.

Verehrte Wesen und Unwesen, wir wären aber nicht die Viren, wenn uns dieses Vorhaben ratlos verharren ließe. Als Viren aus dem auftauenden Permafrost freuen wir uns auf die Bekanntschaft mit diesen neuen wendigen Wirten, die uns über die Grenzen der tauenden Tundra tragen werden, um die Botschaft des neuen Klimawandels weit zu streuen und die Welt wissen zu lassen, wozu wir fähig sind. Wir fordern daher, die Atmosphäre auf mindestens 2,5 Grad aufzuheizen, damit nicht nur der Permafrost auftaut, sondern auch noch sämtliches Polareis schmilzt. Zur Durchsetzung dieser Forderung bieten wir der Solarenergie bilaterale Gespräche an. Auch mit den Kanalratten möchten wir unter dem Aspekt der internationalen Verbreitung unserer Pläne und Ideen gern ins Gespräch kommen. Außerdem spreche ich mich im Namen aller Viren aus dem Permafrost dafür aus, eine Vertretung des eingeschlossenen Methans in der kommenden Vollversammlung einzuladen. Dann werden Sie auch von dieser Seite hören, wie wunderbar es ist, endlich wieder frei zu sein.

Wir bedanken uns für Ihre Aufmerksamkeit und stehen für Fragen und Verhandlungen gern zur Verfügung.


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