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Rückblick: Solarpunk-Zukünfte der Energiewende in Hamburg

Axel Dürkop

Wie würde Hamburg aussehen, wenn die Wende hin zu erneuerbaren Energien ein Erfolg war? Das haben wir Menschen auf dem Jupiter-Campus gefragt und sie eingeladen, mit uns gemeinsam Geschichten im Sinne des Solarpunk zu schreiben.

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Den Ideen des Solarpunk folgend, entwickeln wir zusammen Zukünfte der Energiewende in Hamburg. Foto: Paula Guglielmi

Solarpunk: künstlerisch-technische Geschichten der Zuversicht

Um angesichts der täglichen Meldungen über die Folgen des Klimawandels hoffnungsvoll in die Zukunft blicken zu können, braucht es immer wieder Momente der gegenseitigen Versicherung, dass alles noch gut werden kann. Solche Momente können entstehen, wenn Menschen gemeinsam an Geschichten arbeiten, die eine positive Zukunft beschreiben. Das Ausformulieren von Ideen zu einer Welt, in der wir leben wollen, aber auch das Malen und Zeichnen dieser Welt können das Denken und die Kreativität positiv beeinflussen.

In der künstlerischen Richtung des Solarpunk finden wir eine Spielart der Science Fiction vor, die Zukünfte auf der Basis aktueller technischer Machbarkeit entwickelt. Eine gute Einführung gibt Alexandra Reß in einem Blogbeitrag auf TOR Online. Sie hat auch den einführenden Essay für die Antologie “SONNENSEITEN: Street-art trifft Solarpunk” geschrieben, das mit 22 Kurzgeschichten zwei spannende Strömungen zusammenbringt.

Zukünfte malen und schreiben

Im Team der HOOU und den WATTwanderungen in Hamburg sind wir überzeugt davon, dass Menschen gemeinsam positive Zukünfte einer Gesellschaft im Zeichen der Energiewende entwickeln können. Mit unseren Veranstaltungen wollen wir inspirierende Rahmenbedingungen schaffen und auf unterschiedliche Weise einfangen, was den Menschen einfällt. Beim BioGASTspiel und beim Solarbox-Workshop haben wir damit erste positive Erfahrungen gemacht, aus denen wir einen längeren Kreativ- und Schreibworkshop auf dem Jupiter-Campus im Hamburger JUPITER entwickelt haben.

Wir blicken auf einen erfolgreichen Nachmittag zurück, aus dem wiederum viele Ideen für eine weitere Workshoprunde in 2024 entstanden sind. Das Konzept des Workshops wollen wir im Folgenden vorstellen und unsere Erfahrungen teilen.

Stell dir vor

Am Samstag, dem 2. Dezember 2023, haben wir Menschen auf dem Jupiter-Campus der Universität Hamburg im JUPITER (ehemals Karstadt-Sport) eingeladen, mit uns über Hamburgs Zukunft nach erfolgreicher Energiewende nachzudenken. Der Workshop hieß Du hast die Zukunft der Energiewende gesehen? Erzähl uns davon!

Die WATTwanderungen in Hamburg waren zu Gast auf dem Jupiter-Campus der Universtität Hamburg. Foto: Axel Dürkop
Die WATTwanderungen in Hamburg waren zu Gast auf dem Jupiter-Campus der Universtität Hamburg. Foto: Axel Dürkop

Stell dir vor, du hast Hamburg gesehen, nachdem sich Erneuerbare Energien umfassend durchgesetzt haben. Was genau hast du gesehen?

Mit dieser Frage haben wir die Menschen angesprochen, die an unserem Workshopbereich vorbeigelaufen sind. Vor dem Plakat, auf dem die wesentlichen Informationen standen, führten wir kurz in die Idee des Solarpunk ein und stellten den Ablauf der etwas halbstündigen Sitzung vor:

  • Zunächst würden wir ein Interview über die Zukunft führen.
  • Anschließend würden wir die gemachten Notizen zu einem englischsprachigen Prompt aufbereiten, um eine Künstliche Intelligenz (KI) damit zu beauftragen, ein Bild der Zukunft zu generieren.
  • In einem weiteren Schritt würden wir dann die Sprach-KI ChatGPT mit einem deutschsprachigen Prompt anweisen, eine Geschichte zu generieren.
  • Um den Interviewten die Geschichte zugänglich zu machen, würden wir einen QR-Code anfertigen, den diese mit dem Smartphone scannen könnten.
  • Zuletzt würden wir die Geschichte drucken, auf die Wäscheleine hängen und den Entwickler*innen ein Exemplar mitgeben.

Prompts für Menschen

Wenn unsere interessierte Person (einmal auch eine Familie, einmal ein Paar) mitmachen wollte, gaben wir ihr vier “Solarprompts” zum Lesen, die von Pawel Ngei inspiriert sind und auf einer Wäscheleine aufgehängt waren:

Solarprompts auf einer Wäscheleine, um die Menschen zu inspirieren. Foto: Paula Guglielmi
Solarprompts auf einer Wäscheleine, um die Menschen zu inspirieren. Foto: Paula Guglielmi

Ein Mann und eine Frau in einem fliegenden Cabriolet, die die bunten Solarmodule an der Fassade des alten Kaufhauses putzen und sich dabei mit dem Haus über dessen bewegte Geschichte unterhalten. Die Menschen hinter den durchsichtigen Modulen grüßen die beiden freundlich, während sie in einer solarbetriebenen Mikrofabrik Dinge für den persönlichen Bedarf produzieren.

Eine Schule im Herzen des Großen Parks. Kinder spielen im Regen, bevor sie ins benachbarte Mensagebäude zum Mittagsessen gehen. Gegenüber vom Spielplatz der großflächige Schulgarten, darin zahlreiche Gärtnerinnen und Gärtner. Die Ernte des Gartens wandert in die Schulküche, die wenigen Abfälle aus der Zubereitung in die Biogasanlage auf dem Gelände. Die Anlage produziert auch Dünger für den Garten. Ein Kreislauf.

Eine Bibliothek im Osten der Stadt. Windkraftanlagen auf dem neuen Deich des Flusses liefern den Strom für die KI-Computer und Maschinen in den Lesesälen. Menschen kommen zusammen, um sich für die neue Zeit zu qualifizieren. Alte und Junge sind im Austausch über das Gestern und das Morgen.

Eine Gruppe von Matrosen und Matrosinnen auf einem Frachter. Einige reffen das Segel, um die Fahrt beim Einlaufen in den Hafen zu verlangsamen. Drohnen starten vom Vorderdeck, um den Kahn zum Anleger zu lotsen. Die Lieder, die man bis zum Ufer hören kann, erzählen von der Zeit des Aufbruchs.

Auf einer Wäscheleine gegenüber hingen die Geschichten, die schon entstanden waren, zu denen wir erläuterten, was genau in unserer Workshopsitzung auf die Interessierten zukommt.

Die fertigen Bilder und Geschichten haben wir ausgedruckt und auf eine andere Wäscheleine gehängt. Foto: Axel Dürkop
Die fertigen Bilder und Geschichten haben wir ausgedruckt und auf eine andere Wäscheleine gehängt. Foto: Axel Dürkop

Was siehst du?

Anschließend setzten wir uns an einen der drei Tische und begannen mit Fragen herauszufinden, wie sich unsere Person die Zukunft vorstellt. Die Situation war der nicht unähnlich, mit der Zeugenaussagen aufgenommen werden: “Bitte beschreib mal, genau, was du siehst. Gibt es Hinweise auf erneuerbare Energien in der Stadt? Welche Rolle spielst du in dieser Welt?”

Stephan Dublasky und ein Teilnehmer entwickeln gemeinsam Geschichte und Bild. Foto: Axel Dürkop
Stephan Dublasky und ein Teilnehmer entwickeln gemeinsam Geschichte und Bild. Foto: Axel Dürkop

Gleichzeitig machten wir Notizen in einem HedgeDoc, einem Tool, das wir an der TU Hamburg sehr gern, viel und überall verwenden, um kollaborativ zu schreiben. Die Person, die wir interviewten, saß neben uns und schaute mit auf den Bildschirm. Einige wünschten sich das ausdrücklich, weil sie gern wissen wollten, wie die Geschichte und das Bild mit Künstlicher Intelligenz entstehen.

Prompts für Maschinen

Sobald wir gemeinsam fanden, dass genug Material zusammengekommen war, übertrugen wir die Notizen in die Übersetzungs-KI deepL, um die Substantive und Nomen zu extrahieren. Diese verwendeten wir anschließend, um einen Prompt für Stable Diffusion SDXL Turbo zu entwickeln, eine experimentelle und sehr schnelle Bild-KI, die für die Interviewten auch nach dem Workshop frei zugänglich und kostenlos nutzbar ist. Ein Prompt lautete bspw.:

Hamburg city, solar punk, utopia, solar power, solar panels, hydrogen hub, supply for the whole city, electricity, power plant, research, positive development for society

Ein KI-generiertes Bild aus dem Workshop. Quelle: Stable Diffusion SDXL Turbo
Ein KI-generiertes Bild aus dem Workshop. Quelle: Stable Diffusion SDXL Turbo

Wenn das Bild nicht gefiel, wiederholten wir den Vorgang mit Varianten des Prompts, bis eine Version gefunden wurde, in dem sich unsere interviewte Person wiederfand.

Was weiß eine KI von Solarpunk?

ChatGPT weiß offensichtlich, was Solarpunk im Kern bedeutet, denn es finden sich bei entsprechendem Prompt Merkmale des Genres in den generierten Texten wieder. So jedenfalls unser Eindruck nach dem Workshop und Experimenten im Vorfeld. Mit einem Prompt ähnlich dem folgenden machten wir aus den zuvor erfassten Notizen eine Anweisung für die Sprach-KI:

Handle wie ein Schriftsteller. Schreib eine Geschichte, die dem Solarpunk zugeordnet werden kann. Die Hauptfigur ist ein Projektmanager für Erneuerbare Energien, der sich sehr gut auskennt mit den verschiedenen Technologien und ihr Zusammenspiel zum Vorteil aller nutzt. Er arbeitet in einem hochmodernen Hub, an dem Wasserstoff produziert wird. Die Energie dafür kommt aus Windkraftanlagen am Ufer der Nordsee. Tagsüber wird Wassserstoff produziert, wofür auch Energie aus den Solarpanelen kommt, die auf allen Dächern der Stadt montiert sind. Der Gesellschaft geht es insgesamt besser.

Das Ergebnis dieser Eingabe sowie die anderen entstandenen Geschichten zeigen wir in der neuen Zukunftsabteilung dieser Website.

Drucken für die Wäscheleine

Sofern Geschichte und Bild zusagten, druckten wir die Seiten aus. Einmal für die Wäscheleine, ein weiteres Mal für unsere interviewte Person, wenn gewünscht. Mit einem QR-Code, der den Link zum HedgeDoc enthielt, gaben wir die Möglichkeit, die Geschichte auch digital mitzunehmen. Da die Online-Dokumente für einige Tage noch frei zugänglich waren, hatten die Personen die Möglichkeit, ihre Geschichte noch weiterzuschreiben. Ein Teilnehmer hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und am Montag seine finale Version geschickt.

Reflexion und Ausblick

Wir sind mit dem Verlauf des Workshops sehr zufrieden, sehen aber auch Entwicklungspotenzial für eine nächste Runde. Insgesamt haben wir neun Geschichten entwickelt. Zum gemeinsamen Schreiben waren fünf Männer zwei Frauen, ein Paar und eine Familie mit kleinem Kind bereit. Wir drei Workshopleiter*innen waren in den gut vier Stunden beschäftigt mit der direkten Ansprache des Laufpublikums, unseren Interviews und Schreibphasen sowie mit der gegenseitigen Reflexion des Erlebten.

ChatGPT in der kostenlosen Version 3.5 hat zuverlässig funktioniert, das experimentelle Stable Diffusion SDXL Turbo ebenso. Es mag mächtigere und beeindruckendere Bild-KIs geben, als Inspiration und Reibungsfläche war diese mehr als ausreichend und vor allem schnell.

Wir konnten feststellen, dass die Solarprompts, die wir auf der ersten Wäscheleine als Inspiration vorgesehen hatten, nicht merklich rezipiert wurden. Unsere Teilnehmer*innen konnten sich auch ohne Einstiegshilfe eine andere Welt vorstellen. In einigen Geschichten finden sich auch Momente, die anderen Subgenres der Science Fiction zugeordnet werden können, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass die Wertvorstellungen und Kernideen von Solarpunk noch nicht bekannt sind und auch nicht unmittelbar vor einem solchen Kreativprozess aufgenommen werden können. Wir finden das Thema erneuerbare Energien in den Texten wieder, ebenso wie Hinweise auf die Gesellschaft der jeweiligen Zukunft, und sich streng an das eh unscharf umrissene Genre Solarpunk halten zu müssen, war nicht unsere Absicht.

Es hat uns sehr gefreut, dass diejenigen, die mitgemacht haben, so viel Zeit mit uns verbracht haben. Es hätte das Konzept jedoch abgerundet, wenn wir noch die Zeit für eine genaue Auseinandersetzung mit dem entstandenen Text gehabt hätten. Denn drei Fragen haben sich am Ende angeboten:

  • Welche Qualität hat die generierte Geschichte für sich alleinstehend und im Verhältnis zum Eingabeprompt?
  • Wie bildet sich die imaginierte Zukunft der Entwickler*innen in der generierten Geschichte ab?
  • Inwieweit finden sich Elemente des Solarpunk in den Geschichten und Bildern wieder?

Wenn die Ergebnisse auch gut aussehen und die Texte halbwegs geschliffen klingen, so sollten sie nicht überbewertet werden. Es handelt sich bei Bild und Text jeweils um ein maschinengeneriertes Artefakt, das nicht gleichgesetzt werden sollte mit den Vorstellungen und Aussagen der jeweiligen Entwickler*innen.

Um diesen offenen Fragen und Herausforderungen nachzugehen, planen wir eine Wiederholung im kommenden Jahr, bei der wir uns mehr Zeit für die Einführungs-, Interpretations- und Reflexionsphase nehmen wollen. Vielleicht wieder in Kombination mit Kochen und gemeinsamem Essen, weil das Kopf und Geist öffnet und bei den vergangenen Veranstaltungen sehr viel Spaß gemacht hat.

Es schien uns, dass für viele der Teilnehmenden unser Workshop auch ein erster oder seltener Kontakt mit generativer KI war. Daher saßen die Teilnehmenden auch sehr dicht neben uns, um zu lernen, was genau wir in unsere Rechner eingaben und wie die Ergebnisse zustande kamen.

Wir denken, dass die Entkopplung von Imaginieren durch eine Person und Toolbenutzung durch eine andere Person in einer ersten Phase sinnvoll ist. In späteren Phasen, nachdem klar ist, wie der Prozess abläuft und worauf es bei der Nutzung der Tools ankommt, könnten Rollen wechseln oder Teilnehmende eigenständig an ihren oder fremden Geräten arbeiten.

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Solarpunk hat viele Berührungspunkte mit Science Fiction. Wir haben 2019 SciFi-Filme im Kino gezeigt und mit Studierenden und Expert*innen diskutiert.

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